Historisches Tief – der Wasserstand im Neusiedler See bereitet Sorgen

Seit Beginn der Messungen zum Wasserstand im Neusiedler See im Jahr 1965 wurden noch nie so niedrige Werte im Monat April gemessen wie dieses Jahr. Dieser historische Wassertiefstand hat Auswirkungen auf verschiedene Bereiche, wie zum Beispiel den Tourismus, die Wirtschaft, die Umwelt und Ähnliches. Auch mehrere Wassersportarten wie das Segeln leiden stark unter dem niedrigen Wasserstand des Sees. Deswegen widmet sich Mehrwasser die nächsten Wochen über diesem bedeutenden Thema und holt Meinungen von Vertreter:innen unterschiedlicher betroffener Bereiche ein.

Als einziger Steppensee Österreichs hatte der Neusiedler See immer wieder mit niedrigen Wassertiefen zu kämpfen. Bereits 1974 lag der Wasserstand, vor allem in den Sommermonaten, deutlich unter dem ersten gemessenen Wert 1965 und nicht sonderlich viel über dem niedrigsten je gemessenen Wert. Im Jahr 2003 litt der Neusiedler See erneut unter einer Trockenperiode, was einen historischen Wassertiefstand Ende September von 115,05müA (Meter über Adria) zur Folge hatte, von dem sich der See erst 2006 wieder richtig erholte. In den Jahren danach befand sich die Wassermenge wieder auf einem unproblematischen Niveau und konnte in einigen Jahren sogar Höchstwerte erzielen. Seit 2020 sind die Zahlen allerdings wieder deutlich unter den Durchschnitt gesunken und es wurde erneut ein historischer Wassertiefstand Mitte und Ende Juli letzten Jahres verzeichnet. Zu dieser Zeit lag der Wasserstand bei 115,24müA (Mitte Juli) beziehungsweise 115,19müA (Ende Juli), ähnlich den Werten, die in den vergangenen Tagen gemessen wurden (rund 115,22müA). Dass solch niedrige Werte bereits im April gemessen werden, bereitet jedoch Grund zur Sorge, da der Wasserstand im Neusiedler See in den Sommermonaten in der Regel noch weiter sinkt.

Wasserstand Neusiedler See, Foto: Wasserportal Burgenland

Doch wie kommt es zu den extrem niedrigen Werten in diesem Jahr? Der Wasserstand im Neusiedler See hängt fast zur Gänze von der Niederschlagsmenge und der Verdunstung ab. Durch den Klimawandel ist es jedoch deutlich öfter trocken und die Niederschläge nehmen ab. Bis Mitte des Jahrhunderts ist laut Experten der BOKU (Universität für Bodenkultur Wien) mit einem Temperaturanstieg von knapp zwei Grad Celsius zu rechnen, zusätzlich soll es immer mehr Hitzewellen und auch mehr Sonnentage geben. Während im Alpenraum eine Zunahme der Niederschlagsmenge um ca. acht Prozent erwartet wird, soll der Regen im Südosten des Landes, wo sich auch der Neusiedler See befindet, allerdings weniger werden. Diese sich häufenden Trockenepisoden gepaart mit dem Temperaturanstieg haben eine Verdunstung des Wassers von fünf bis sieben Millimetern an heißen Sommertagen zur Folge, wodurch der Wasserstand im Neusiedler See abnimmt.

Dass die Lage dieses Jahr besonders prekär ist, liegt an den außergewöhnlich geringen Niederschlagsmengen dieses und letztes Jahr. Vor allem der Juni 2021 fiel extrem trocken aus und das Defizit konnte bis jetzt nicht kompensiert werden. Auch in der Zeit ab September 2021 bis jetzt wurde weniger Regen verzeichnet als durchschnittlich in diesen Monaten. Prognosen der Direktion für Wasserwesen in Györ (Ungarn) vermuten eine Fortsetzung dieses Trends. Im ungünstigsten Fall sei somit im August ein Wasserstand im Neusiedler See von nur mehr 115,05müA zu erwarten und selbst im günstigsten Fall wird das bisherige Minimum für den Monat (115,19müA) gerade noch gehalten.

Niederschlagsmenge Rust am Neusiedler See, Foto: Wasserportal Burgenland

Dieser geringe Wasserstand wirkt sich auf die verschiedensten Bereiche aus. So ist beispielsweise der Naturraum Seewinkel/ Neusiedler See sensibel gegenüber Änderungen der Wasserbilanz des Sees. Auch der Sport und der Tourismus, und somit auch die Wirtschaft, werden vom Wasserstand im Neusiedler See beeinflusst. Mehrwasser wird sich in den kommenden Wochen mit Angehörigen dieser betroffenen Bereiche in Verbindung setzen und über deren Bedenken und Wünsche berichten. Zusätzlich sprechen wir auch mit Vertreter:innen aus der Politik und Wissenschaft, um mögliche Lösungen für das Problem zu identifizieren.

Titelfoto: Moritz Merstik / boats2sail

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