„Ich seh nur Technik, keine Schicksale!“ Interview mit dem Wrackzeichner

Wracktaucher

Der Wrackzeichner heisst eigentlich Alexey Konovalov, Jahrgang 1985 und ursprünglich aus der Ukraine stammend, hat sein Zuhause in Kiel, Deutschland gefunden. Schon seit seiner Kindheit fand er eine Begeisterung für das Zeichnen, ein Talent, das sich wie ein roter Faden durch seine Familiengeschichte zieht.

Seine Tauchreise begann während seiner Zeit als Besatzungsmitglied auf dem privat entwickelten und betriebenen Forschungs-U-Boot namens „Euronaut“. Diese Erfahrung bildete den Ausgangspunkt für die Kombination zwischen seinem Beruf und das Tauchen.

Alexey taucht seit 2013 leidenschaftlich gerne in die Tiefen der Meere. Das Interesse am Zeichnen hat er geschickt mit seinen beruflichen Qualifikationen als Schiffbauingenieur und geprüfter Forschungstaucher und Tauchgeräte-Entwickler kombiniert. 

Heute widmet sich Alexey ohne finanzielle Motivation dem Zeichnen und Gestalten von Wracks von U-Booten, Schiffen und Flugzeugen. 

Wie bist du zum Zeichnen von Wracks gekommen?

Malen und Zeichnen liegt in meiner Familie mindestens seit vier Generationen. So fing ich schon als Kind damit an, Tierbilder und Portraits mit Bleistift zu zeichnen. Nichtsdestotrotz habe ich vor 15 Jahren damit fast aufgehört, weil mit dem Studienbeginn das Interesse dafür verging.Irgendwann im Studium habe ich mit dem Sporttauchen angefangen und landete ziemlich schnell bei Ostseewracks. Nach einem Tauchgang am Wrack des Saugbaggers „Sten Trans“ in der Kieler Bucht im Jahr 2017, bin ich auf die Idee gekommen, das Schiff zu zeichnen, weil es mich interessiert hat, wie es mal ausgesehen hat. Anschließend habe ich online danach recherchiert und fand das Modell eines Schwesterschiffs. Auf Basis dieses Modells hatte ich meine erste, damals noch sehr skizzenhafte, Rekonstruktion des Wracks gemacht.

Wie verläuft dein Arbeitsprozeß?  

Die Zeichnungen basieren hauptsächlich auf den Videoaufnahmen der Wracks. Idealerweise sind meine eigenen Aufnahmen bereits gut genug, um das Wrack zu „verstehen“. Häufig gibt es online bereits Fremdaufnahmen, die entweder beim Lückenschließen helfen, oder im Alleingang als eine Grundlage für die Zeichnung ausreichen, falls meine eigenen Videos nichts geworden sind. Die Wrackfotos helfen nur bei guten Sichtweiten etwas.

Weitere Quellen sind Online-Recherchen, bei denen ich nach den Aufnahmen der Schiffe „zu Lebzeiten“ suche. Wenn es diese nicht gibt, dann sind es häufig die Schwesterschiffe, die vielleicht ein längeres Leben hatten und darum häufiger abgebildet sind. Wenn es auch solche Aufnahmen nicht gibt, dann muss man irgendwann freischnauze das Wrack interpretieren. Zum Beispiel auf Basis von Vergleichsschiffen aus der gleichen Zeit. Je nach Schiffstyp sind verschiedene Wasserfahrzeuge zum Teil sehr ähnlich aufgebaut und der Rest ist „educated guess“. Mein Hauptberuf als Schiffbauingenieur hilft da ein gutes Stück weit. Auf einem Stifttablet werden digitale Skizzen gemacht, weil man diese jederzeit korrigieren oder gar gnadenlos. Habe ich den Eindruck, dass die Skizze realitätsgetreu genug ist, fange ich mit der Wrackzeichnung auf dem Papier an. Diese Arbeit kann einen bis zwei Abende dauern.

Bist du auch Wassersportler? 

Ich betrachte mich als einen engagierten Sporttaucher. Angefangen habe ich während meiner Zeit als Besatzungsmitglied auf dem privat entwickelten und betrieben Forschungs-U-Boot „Euronaut“. Das Uboot ist als Taucher-Verbringungsfahrzeug mit einer Taucherschleuse konzipiert und ich war zu dem Zeitpunkt im Studium der einzige Nichttaucher an Bord. Daraus wurde das Hobby zu einer lebensfüllenden Beschäftigung: dreistellige Anzahl von Tauchgängen im Jahr, stetige Weiterbildung, technisches Tauchen, Trimix, später sogar Entwicklung von eigenen Rebreathern. Zum Schluss habe ich eine Ausbildung zum geprüften Forschungstaucher absolviert und habe dadurch de facto einen Zweitberuf, auch wenn nur aus Spaß. Ich bin schon lange kein Ubootfahrer mehr, aber das Hobby blieb und ich kann mir das Leben ohne Tauchen nicht mehr wirklich vorstellen.

Kommst durch deinen Beruf viel herum?

Getaucht wird hauptsächlich auf der Ostsee mit den Booten von guten Freunden. Gelegentlich gibt es Ausfahrten nach Griechenland oder Norwegen. Grundsätzlich versuche ich überall, wo ich bin irgendeinen Tümpel zu finden, in dem ich meinen Kopf ins Wasser halten kann. Falls möglich, mit Wracks darin. 

Kannst du mit den Wrack-Zeichnungen ein weiteres Einkommen erzielen?

Geld möchte ich mit meinen Zeichnungen nicht verdienen, selbst wenn es einfach so ginge. Da bin ich ein „Überzeugungstäter“. Stattdessen werden alle meine Bilder auf meiner Homepage und in Social Media veröffentlich, wo es jeder herunterladen und nutzen kann. Mich freut es lediglich, wenn Leute wenigstens meinen Namen erwähnen. Die Originale behalte ich ebenfalls nicht. Sie verschenke ich an die Leute, die mich zu den Wracks gebracht haben oder denen diese Wracks besonders viel bedeuten. So bleibt man eher den Menschen im Gedächtnis. Es dreht sich ohnehin viel zu viel in unserem Leben ums Geld. Wie vorhin erwähnt, habe ich einen Abschluss im Schiffbau und Meerestechnik. Darum dreht sich mein Alltag um einen Job auf einer Werft.

Hat deine Arbeit einen wissenschaftlichen Mehrwert?

Leider kann ich nicht behaupten, dass meine Arbeit einen wissenschaftlichen Mehrwert hat. Die für wissenschaftliche Abbildungen benötigte Genauigkeit erreicht man nicht nach einem Rundumflug. In der Unterwasserarchäologie wird dafür eine ganze Campaign, mindestens ein halbes Dutzend Leute, ein Bus voll mit Messinstrumenten und je nach Wrackgröße mindestens eine Woche Zeit benötigt. Oder eben ein Kameramann mit einem Workstation-PC und Fotogrammetrie-Software darauf. Meine Arbeit ist eher ein Zwischending zwischen einer Orientierungsskizze und einem Kunstwerk. Vielleicht fand es deshalb eine eigene Nische, als mit der Zeit mehr Anfragen für Buch- und Zeitschriftillustrationen kamen.

Auf was achtest du am meisten beim Wracktauchen?

Als Ingenieur lege ich den Fokus nicht so sehr aufs Historische. Es ist tatsächlich so, dass ich beim Tauchen keine Schicksale, sondern nur Technik sehe. 

Mehr über Alexey erfährst du auf seiner Webseite: wrackzeichner.de und auf seinen Social Media Channels Facebook und Instagram

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Photocredit:
Alexey Konovalov

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